Canon EOS R3 - Erfahrungsbericht von Martin Bissig

Eine Woche unterwegs mit der Canon EOS R3

 

Der Canon Ambassador und Outdoor- & Sportfotograf, Martin Bissig, konnte ein Vorserienmodell der neuen Canon EOS R3 eine Woche lang eingehend testen. Erfahre, wie er die neue EOS R3 bei seiner Arbeit eingesetzt hat und ob er seine aktuelle Kamera, die EOS R5 gegen die neue EOS R3 austauschen wird. 

Eine Woche unterwegs mit der Canon EOS R3

Als Canon Ambassador hatte ich die Möglichkeit, mit einem Vorserienmodell der neuen Canon EOS R3 ausführlich zu arbeiten. Dies ist kein Test, sondern ein Erfahrungsbericht zur neuen Kamera und ein Vergleich mit meiner jetzigen Canon EOS R5. Dieser Bericht basiert auf meiner real-life Arbeit als Profi-Fotograf und ist nicht im Auftrag von Canon entstanden. Dabei konzentriere ich mich vor allem auf die Fotofunktionalitäten.

3 Jahre Erfahrung mit dem spiegellosen System von Canon

Ich arbeite seit 2018 komplett spiegellos. Während zwei Jahren habe ich meine Shootings mit der EOS R durchgeführt. Als letztes Jahr die EOS R5 vorgestellt wurde, sind all meine Wünsche an eine Kamera in Erfüllung gegangen. 20 Bilder pro Sekunde bei einer Auflösung von 45 Megapixeln mit einem unglaublich akkuraten Autofokus in einem kleinen und leichten Gehäuse: mehr konnte ich mir als Outdoor- und Sportfotograf nicht wünschen. Nun steht die EOS R3 in den Startlöchern und ich möchte die Vor- und Nachteile der R3 gegenüber der R5 aufzeigen. Die EOS R3 ist ganz klar nicht als Nachfolger oder Ersatz der EOS R5 positioniert, sondern reiht sich an der Spitze der EOS R Familie ein. Aber da ich nie intensiv mit der EOS 1Dx Mark III gearbeitet habe und meine Spiegelreflex-Kamera-Ära bereits 3 Jahre zurückliegt, vergleiche ich sie lediglich mit der EOS R5, meinem Arbeitstier der letzten 14 Monate. Am Ende möchte ich trotzdem die Frage beantworten: Wird die EOS R3 meine R5 ersetzen?

 

Bild 1: Canon EOS R3, RF 50/1.2, ISO 100 - f1.2, 1/6400s
Bild 2: Canon EOS R3, RF 15-35/2.8 at 15mm, ISO 200 - f3.5, 1/500s
Bild 3: Canon EOS R3, RF 70-200/2.8 at 70mm, ISO 250 - f8, 1/500s
Bild 4: Canon EOS R3, RF 800/11.0, ISO 1600 - f11.0, 1/1600s


Verschluss und Serienbildgeschwindigkeit

Normalerweise arbeite ich mit dem mechanischen Verschluss meiner EOS R5. Erstens mag ich das haptische und akustische Feedback beim Bilder schiessen und zweitens reichen mir in der Regel die 12 Bilder pro Sekunde. Es gibt aber Momente, bei denen ich auf den elektronischen Verschluss umstelle, um noch mehr Bilder aus meiner Kamera herauszuholen. Die EOS R3 bietet noch einmal eine grosse Steigerung der Serienbildgeschwindigkeit. Ich kann nun bis zu 30 Bilder pro Sekunde aufnehmen. Dies macht bei meiner Arbeit vor allem bei den folgenden Anwendungen Sinn:

Pan-Shots: Bei einem klassischen Mitzieher-Bild mit langer Verschlusszeit ist auch bei mir als Profi der Ausschuss gross. Die Kamera genau gleich schnell wie das Objekt zu bewegen erfordert neben viel Übung auch jeweils etwas Glück. Je mehr Bilder ich schiesse, desto grösser ist die Chance, dass ein Foto der Serie auch wirklich scharf ist. 


Canon EOS R3, RF 70-200/2.8 at 70mm, ISO 200 - f16, 1/50s

Mit einem schnellen Objektiv arbeiten: Wenn ich schnelle Action mit offener Blende aufnehme, zum Beispiel mit dem RF 85/1.2, dann ist mein Tiefenschärfenbereich äusserst klein. Trotz superschnellem Autofokus kann bei einer Serie das eine oder andere Bild nicht zu 100% scharf sein. Mit 30 Bildern pro Sekunde zu arbeiten erhöht den Output an scharfen Aufnahmen enorm.

Canon EOS R3, RF 85/1.2, ISO 100 - f1.2, 1/1250s

Den richtigen Moment erwischen: Oftmals dauert eine Action bloss ein Bruchteil einer Sekunde. Dank 30 Bildern pro Sekunde verpasse ich keinen Moment und stelle sicher, den genau richtigen Zeitpunkt zu erwischen.

Canon EOS R3, RF 70-200/2.8 at 86mm, ISO 200 - f8.0, 1/1600s

Weitere Vorteile der EOS R3 gegenüber der EOS R5 

Es gibt mit der EOS R3 praktisch kein Rolling-Shutter-Effekt mehr. Dieser Effekt trat bis anhin beim Fotografieren mit elektronischem Verschluss auf, da der Sensor zeilenweise ausgelesen wird. Bei meiner Arbeit ist mir der Rolling-Shutter-Effekt der R5 nie negativ aufgefallen, da ich nie mit schnell bewegten, geraden Linien zu tun habe (z.B. Golf, Flugzeugpropeller oder Helikopter-Rotoren). Die EOS R3 eliminiert den Effekt aber fast komplett und das Problem tritt nun nicht mehr auf. Für mich und meine Arbeit ist das nicht relevant, für andere Fotograf*innen aber kann dies enorm wichtig sein. 

Schnellste Verschlussgeschwindigkeit: Bei der EOS R5 ist bei 1/8000 Sekunde Verschlusszeit das Limit erreicht, während ich mit der EOS R3 mit bis zu 1/64000 Sekunde fotografieren kann. Der einzige Anwendungszweck für schnellere Verschlusszeiten ergibt sich bei mir, wenn ich mit Blende F1.2 in sehr heller Umgebung fotografiere. Dann komme ich trotz tiefster ISO100 an die 1/8000er Grenze und wäre ein paarmal froh gewesen, hätte ich schneller als 1/8000 fotografieren können. Wer keine so schnelle Linse besitzt und mit Blende 2.8 und aufwärts fotografiert, wird selten in eine Situation kommen, wo schnellere Verschlusszeiten als 1/8000s nötig wären. 

Blitzen mit der EOS R3 ist nun auch mit elektronischem Verschluss möglich. Mit meiner EOS R5 kann ich den Blitz nur auslösen, wenn ich mit dem mechanischen Verschluss arbeite. Dies hat sich nun mit der EOS R3 geändert. Egal ob mechanisch oder elektronisch, der Blitz wird nun immer abgefeuert. Ein nettes Feature der R3, jedoch habe ich dies bei meiner EOS R5 bis anhin nicht vermisst. 

Canon EOS R3, RF 70-200/2.8 at 70mm, ISO 200 - f2.8, 1/2500s

Vorteile der EOS R5 gegenüber der EOS R3

Die riesige Menge an Bildern, die ich in kurzer Zeit mit der EOS R3 schiesse, macht meinen Workflow langsamer und unübersichtlicher. Bleibt mein Finger während etwa 3 Sekunden auf dem Auslöser, ist die Speicherkarte schon mit 100 Bildern gefüllt. Nach 2 Stunden Trailrunning-Shooting sind über 3500 Bilder im Kasten. Diese müssen heruntergeladen, sortiert, bewertet und gesichert werden. Sehr viele Bilder sehen sehr ähnlich aus und die Arbeit nach dem Shooting dauert um einiges länger.

Mein Fazit zur Serienbildfunktion

Mit 30 Bildern pro Sekunde zu fotografieren ist für bestimmte Anwendungszwecke mit Sicherheit sinnvoll. Fussball-, Eishockey, Leichtathletik- und viele andere Sportfotograf*innen werden die schnelle Bildabfolge lieben, ebenso Reportagefotograf*innen. Tierfotograf*innen werden aus den 10 zusätzlichen Bildern pro Sekunde bestimmt den einen oder anderen Keeper herausholen können. Auch sonst bietet der neue elektronische Verschluss der EOS R3 einige Vorteile. Mir persönlich reichen die 20 Bilder pro Sekunde der EOS R5 aber bis jetzt aus, da ich praktisch nie unberechenbare Situationen fotografiere, sondern mit meinen Models kommunizieren kann und die Szenen - falls notwendig - mehrere Male wiederholen kann. 

Autofokus

Die Performance des Autofokus der Canon EOS R5 war ein Quantensprung gegenüber der EOS R, aber auch gegenüber meiner damaligen EOS 5D Mark IV und allen anderen Kameras, die ich in den Händen hielt. Canon hat mit der EOS R3 noch einmal eine Schippe draufgelegt. Neben der bis anhin schon sehr imposanten Personen- und Tiererkennung ist neu auch die Fahrzeug-Erkennung im Autofokus eingebaut, und dies alles bei nahezu 100% Abdeckung des Bildausschnitts und bei voller Serienbildgeschwindigkeit. Motorräder sowie Autos werden erkannt und sofort vom Autofokus erfasst. Einige Tests mit dem Motorrad ergaben fantastische Ergebnisse. Und das Tolle dabei: Sobald eine Person erkannt wird, schaltet das AF-System auf den Kopf der Pilotin oder des Piloten. Sogar als sich diese von der Kamera abwendet und bloss ein Helm von hinten sichtbar ist: der Autofokus bleibt förmlich auf dem Kopf der Fahrerin kleben. Auch beim Fotografieren mit offenster Blende F1.2 gibt es trotz Bewegung fast keine unscharfen Bilder mehr.

Canon EOS R3, RF 85/1.2, ISO 100 - f1.6, 1/8000s

Auch bei der Personen- und Tiererkennung hat Canon den Algorithmus und somit die Performance verbessert. Auch wenn eine Person nur einen sehr kleinen Teil des Frames ausmacht: Der AF springt sofort aufs Auge und bleibt dort kleben, auch wenn sich die Person schnell auf mich zubewegt. Ich fotografiere oft und gerne gegen das Licht. Selbst bei einer Belichtungskorrektur von +2 Blenden verliert der Autofokus nie sein Objekt. 

Canon EOS R3, RF 15-35/2.8 at 17mm, ISO 200 - f2.8, 1/4000s

Beim Fotografieren im Zoo kam ich praktisch ohne unscharfe Bilder nach Hause. Der Deep-Learning Algorythmus der EOS R3 erkannte neben Vögeln und Katzen auch Giraffen, Kamele, Bären und andere Tiere.

Canon EOS R3, RF 600/11, ISO 10000 - f11.0, 1/1600s


Fazit Autofokus

Scharfe Bilder bei schnell bewegter Action ist mein Hauptaufgabengebiet. Schon mit der Canon EOS R5 habe ich herausragende Resultate erzielt, die EOS R3 aber legt die Latte noch höher und hat die Nase gegenüber der EOS R5 vorne, vor allem auch was den neuen Fahrzeug-Modus anbelangt. Oh, und ein Feature der neuen Canon EOS R3 habe ich sofort absolut GELIEBT und wünschte ich mir an meiner EOS R5: den kleinen, berührungsempfindlichen AF-Selektionsknopf welcher mit der EOS 1Dx Mark III eingeführt wurde. Damit verschiebe ich meinen AF-Punkt in Sekundenbruchteilen mit meinem Daumen über mein ganzes Frame. Was ich hingegen zu wenig bzw. nur sehr kurz getestet habe: das Feature, meinen AF-Punk mit dem Auge zu steuern. Meine Objekte bewegen sich dafür zu schnell oder sind teils zu Beginn weit weg. Die Augensteuerung bedingt eine gewisse Gewöhnungszeit und eignet sich meiner Ansicht nach für andere Situationen (z.B. Personenaufnahmen) besser als für die Art von Bildern, wie ich sie ich mache. 


Weitere Features und Vorteile der R3 gegenüber der R5

Der elektronische Sucher
Obwohl der elektronische Sucher beider Kameras gleich auflöst und die gleiche Wiederholungsrate hat, hatte ich doch bei der R3 das Gefühl, die Farben werden akkurater und die Action flüssiger dargestellt. Der Sucher der R3 kam dabei einem analogen Sucher näher als derjenige der R5. Gerade beim Wechseln zurück auf die R5 nach einer Woche Testzeit mit der R3 ist mir das aufgefallen. 

Ausserdem zeigt mir die EOS R3 die Tiefenschärfe korrekt an, während dieses Feature in der R5 nicht möglich war. So simuliert der elektronische Sucher der EOS R3 einen analogen Sucher noch viel realitätsnaher.

Akku-Kapazität
Bereits mit der EOS R5 kam ich weit über die von Canon nach CIPA-Standard angegebenen Auslösungen hinaus. Mit einem Akku habe ich auch in winterlicher Kälte mehr als 2000 Bilder geschossen. Der grössere Akku der EOS R3 bietet hier natürlich noch einmal mehr Raum nach oben. Ich weiss nicht, wie viele Auslösungen im Handbuch stehen. Gemäss meinen Erfahrungen habe ich mit weniger als der Hälfte der Akku-Kapazität knapp 3500 Bilder geschossen. Unter normalen Bedingungen und Nutzung sollte ein Akku locker für einen Tag im Feld reichen. Hier hat die Canon EOS R3 einen klaren Vorteil gegenüber der R5.

Hochformat-Griff
Seit 5 Jahren arbeite ich ohne einen Hochformat-Griff. Bei der R3 habe ich mich sehr schnell an diese Möglichkeit gewöhnt. Das unbequeme Handverdrehen entfällt bei Aufnahmen im Hochformat. Gerade in der heutigen Zeit, in der viel Content für Instagram- oder Facebook-Stories in Hochformat produziert wird, ist dieses Feature sinnvoll, auch weil ich trotz vertikaler Haltung der Kamera wie gewohnt Zugang zu den Buttons habe.

Dateigrösse und Übertragung
Wer bei Events oder Live-Veranstaltungen schon mal Bilder übertragen musste, der schätzt die kleineren Dateimengen. Wenn es schnell gehen muss, habe ich oft die Dateigrösse meiner R5 verringert, um die Bilder schneller übertragen zu können.

Bessere ISO-Performance
Durch die tiefere Auflösung erreiche ich bei der EOS R3 eine bis zu 2 Blendenstufen bessere ISO-Performance gegenüber der EOS R5. Wer viel bei schlechten Lichtverhältnissen fotografiert, der wird die EOS R3 lieben.


Vorteile der R5 gegenüber der R3

Geringes Gewicht und kleines Format waren bereits 2018 mein Hauptargument, mein Canon EF-System zu verkaufen und komplett auf das spiegellose RF-System umzustellen. Auf meinen Expeditionen und Outdoor-Shootings trage ich meine Ausrüstung tage-, ja manchmal sogar wochenlang mit. Da zählt jedes Gramm an Mehrgewicht. Hier liegt, in meinen Augen und für meine persönlichen Bedürfnisse, nach wie vor der Hauptvorteil der EOS R5. Aus demselben Grund ist meine grösstes Objektiv auch bloss das RF 70-200 F2.8.

95% meiner Aufträge sind kommerzielle Shootings für Brands, Tourismusdestinationen und Magazine. Oft werden meine Bilder grossflächig für Messen, Poster, Plakatwände oder Banner gedruckt. Hier haben sich die 45 Megapixel Auflösung der EOS R5 als ideal herausgestellt. Mehr Auflösung brauche ich praktisch selten, weniger Auflösung hingegen käme bei meinen Kunden schlecht an. Deshalb sehe ich hier für mich einen Vorteil der EOS R5 gegenüber der EOS R3. Dieser Vorteil wird aber in Zukunft auch schwinden, wenn ich die technischen Möglichkeiten und Ai-Algorithmen im Post-Processing anschaue. Digitale Bildvergrösserung wird Zukunft immer besser werden und hochpixlige Kameras werden nur bis zu einer bestimmten Auflösung sinnvoll sein.

Ich bevorzuge definitiv ein sauberes 24-Megapixel Foto gegenüber einem schlechten 100-Megapixel Bild einer Smartphonekamera. 

Canon EOS R3, RF 15-35/2.8 at 15mm, ISO 320 - f5.6, 1/1250s


Mein Fazit: Wird die EOS R3 meine EOS R5 ersetzen?

Nein, die EOS R5 wird meine Hauptkamera bleiben. Auch aus dem Grund, dass die R3 nicht als Ersatz gedacht ist, sondern eher als Zusatz. Für kommerzielle Aufträge oder auf Expeditionen werde ich aber nach wie vor auf meine EOS R5 zurückgreifen. Ich werde die EOS R3 in meinen Fotorucksack packen, wenn ich bei Events oder Sportveranstaltungen schnelle Actionbilder schiessen und schnell übertragen muss. Wenn ich bei schlechten Lichtverhältnissen das Optimum herausholen muss, auch dann hat die Canon EOS R3 klare Vorteile. 

Canon EOS R3, RF 15-35/2.8 at 16mm, ISO 500 - 7.1, 1/640s


Martin Bissig

web: bissig.ch

facebook: martinbissigphotographer

instagram: @martinbissig

Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder.

Ich habe die Datenschutzbestimmungen zur Kenntnis genommen.